Wo stehen wir beim digitalen Euro?

Projekt für europäisches digitales Zentralbankgeld geht voran

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Eine Vielzahl aktueller Entwicklungen stellt Zentralbanken weltweit vor die Frage, wie sie sich in der Welt von morgen aufstellen müssen. Eine der möglichen Antworten ist digitales Zentralbankgeld. Dazu gehört auch der digitale Euro.

Das Projekt für den digitalen Euro schreitet voran

Das Projekt der EZB für den digitalen Euro schreitet voran.

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Neue technische Möglichkeiten und neue Wettbewerber stellen nicht nur Banken sondern auch Zentralbanken vor die Frage, wie sie sich für die Welt von morgen aufstellen müssen. Denn diese Entwicklungen berühren im Kern ihr Mandat als Emittenten von staatlichem Geld. Notenbanken in aller Welt suchen nach Möglichkeiten, angemessen darauf zu reagieren. Aktuell befassen sich daher derzeit Zentralbanken in fast 90 Ländern mit digitalem Zentralbankgeld.

Zwei Grundformen digitalen Zentralbankgeldes

Beim  digitalen Zentralbankgeld lassen sich zwei Grundformen unterscheiden:

  1. Wholesale-Variante und
  2. Retail-Variante.

1. Die Wholesale-Variante digitalen Zentralbankgeldes

„Wholesale“-Varianten könnten insbesondere für die Abwicklung von Transaktionen auf Finanzmärkten genutzt werden. Der Nutzerkreis könnte dabei vor allem auf Geschäftsbanken beschränkt werden, die schon heute an geldpolitischen Operationen beteiligt sind. Um die Nutzbarkeit für innovative Anwendungen auf Basis der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) zu ermöglichen, könnte die Weitergabe auch an einen begrenzten Kreis von Unternehmen erfolgen.

Solche Ansätze würden vor allem die Bedürfnisse der Industrie – Stichwort: „Industrie 4.0“ – sowie des Finanzmarktes – zum Beispiel im Hinblick auf die sogenannte Token-Ökonomie – abdecken. Zumindest kurzfristig könnten hier vielleicht aber auch Brückenlösungen zwischen innovativer DLT-Infrastruktur und klassischen Zahlungssystemen helfen.

2. Die Retail-Variante digitalen Zentralbankgeldes

Im Gegensatz zur Wholesale-Variante von digitalem Zentralbankgeld stünde die Retail-Variante auch für Privatpersonen zur Verfügung. Es geht also um digitales Zentralbankgeld für jedermann. Darauf konzentrieren sich zurzeit die Diskussionen im Eurosystem um einen digitalen Euro.

Drei Motive für den digitalen Euro

In einem ersten Bericht des Eurosystems wurden mehrere Szenarien skizziert, die eine Einführung von digitalem Zentralbankgeld begründen könnten. Vor allem drei Motive sind dabei wesentlich:

  1. Zentralbanken müssen sich fragen, wie die Zukunft im Zahlungsverkehr aussieht, wenn sie selbst nichts unternehmen. Die Ankündigung von Facebook und anderen Unternehmen, eigene digitale Token für das Bezahlen herauszubringen, führte ein solches Zukunftsszenario eindrücklich vor Augen. Und es wird nicht weniger relevant, nur weil diese Pläne zwischenzeitlich gestoppt wurden.
  2. Wenn Bargeld in der digitalen Welt als Transaktionsmittel zunehmend an Bedeutung verliert, muss man überlegen, ob es nicht einer digitalen Ergänzung bedarf.
  3. Zentralbanken sollten über digitales Zentralbankgeld nachdenken, um die Infrastruktur für digitale Innovationen im Finanzsektor zu schaffen.

Wo stehen wir beim digitalen Euro?

Eine erste öffentliche Konsultation zum digitalen Euro zeigte, dass es Privatpersonen und Unternehmen vor allem um Datenschutz und Privatsphäre geht. Gerade die Deutschen legen sehr großen Wert auf diese beiden Merkmale. In einigen praktischen Experimenten wurde zudem bereits die technische Machbarkeit unterschiedlicher Ausgestaltungen grundsätzlich erprobt.

Nach der Entscheidung des EZB-Rates im Juli 2021, den digitalen Euro in ein konkretes Projekt zu überführen, folgte im Oktober des vergangenen Jahres der offizielle Startschuss mit dem Beginn der Untersuchungsphase. Über einen Zeitraum von 24 Monaten arbeiten Expertinnen und Experten der EZB und der nationalen Zentralbanken gemeinsam an spezifischen Fragestellungen zur Gestaltung eines potenziellen digitalen Euro.

Im Fokus der Arbeiten stehen mögliche Anwendungsgebiete und Geschäftsfälle, die dazu notwendigen Funktionselemente, die technische Infrastruktur, aber auch die Steuerung des Einflusses auf den Markt und die Rolle von Intermediären. Außerdem müssen die rechtlichen Grundlagen für eine mögliche Ausgabe untersucht und gegebenenfalls geschaffen werden.

Steuerung von Risiken beim digitalen Euro

Bei den Untersuchungen zum digitalen Euro ist stets zu berücksichtigen, welche Auswirkungen die jeweilige Gestaltungsform auf den Markt und die Zentralbankbilanz haben kann. So muss ein systematischer Abfluss von Einlagen aus dem Bankensektor ebenso vermieden werden, wie plötzliche unkontrollierte Umschichtungen von Bankeinlagen zum Eurosystem. Denkbare Ansätze zum Gegensteuern wären etwa Höchstbeträge oder eine gestaffelte Verzinsung, so dass es ab einer bestimmten Höhe unattraktiv wäre, digitale Euro zu halten.

Die Steuerung dieser Risiken ist eine Kernaufgabe, die es in den kommenden Monaten abzuarbeiten gilt. Denn die traditionelle Rollenverteilung im Geldsystem muss beibehalten werden. Sie ist die wohl ausgeprägteste Form von „Public-Private Partnership“ ist, die wir in unseren Volkswirtschaften beobachten können.

Was Bürger vom digitalen Euro erwarten

Es gilt die Zielsetzung, dass Zentralbankgeld auch im digitalen Zeitalter weiter als Anker in unserer Währungsordnung dient. Dies kann nur erreicht werden, wenn der digitale Euro eine breite Akzeptanz findet. Wie also müsste ein digitaler Euro aussehen, damit er von den Verbraucherinnen und Verbrauchern gern genutzt und nachgefragt wird.

Die EZB veröffentlichte kürzlich einen Bericht zu den Erwartungen bezüglich eines digitalen Euros.. Dabei wurden sowohl Privatpersonen aus verschiedenen Altersgruppen als auch Händler repräsentativ befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Menschen vor allem die Möglichkeit, überall bezahlen zu können, als wichtigstes Merkmal eines digitalen Euro ansehen. Daher sollten im besten Fall alle Händler im gesamten Euroraum – sowohl online als auch in Geschäften vor Ort – den digitalen Euro akzeptieren. Die Nutzerinnen und Nutzer bevorzugen dabei Zahlungslösungen, die bequem, schnell und einfach zu bedienen sind.

Ein weiteres wichtiges Merkmal war aus Sicht der Befragten die Möglichkeit, Person-to-Person-Zahlungen in Echtzeit durchführen zu können. Im Grunde genommen funktionieren sie wie Bargeldzahlungen – nur machen sie die physische Übergabe überflüssig. In vielen anderen Ländern hat sich dieses Segment als „Türöffner“ erwiesen, weil hierdurch eine kritische Masse geschaffen und die Grundlage für die Attraktivität beispielsweise beim Bezahlen an der Supermarktkasse gelegt wurde.

Es kommt auf die Nutzerfreundlichkeit an

Insgesamt zeigte sich aber auch: die Bürgerinnen und Bürger schätzen die schon verfügbaren Bezahlmethoden. Gleichzeitig ist ihnen der Unterschied zwischen dem Geld auf ihrem Girokonto, über das sie zum Beispiel per Kartenzahlung verfügen, und einem digitalen Euro in vielen Fällen nicht ersichtlich.

Um tatsächlich auch nachgefragt zu werden, wird der digitale Euro daher größtmögliche Nutzerfreundlichkeit bieten, eine hohe Datensouveränität gewährleisten und technisch absolut auf der „Höhe der Zeit“ sein müssen.

Mögliche Schritte zur Einführung eines digitalen Euros

Ein besonderes Augenmerk muss darauf legen, wie der Zugang aller Bürgerinnen und Bürger zum digitalen Euro sichergestellt werden kann. Vorstellbar wäre eine Wallet im Smartphone, aber auch weitere Zugangswege ohne Mobilgerät müssen in Erwägung gezogen werden. Denn der Euro sollte auch für weniger digitalaffine Bevölkerungsgruppen nutzbar sein.

Aufgrund der Komplexität des Vorhabens ist eine schrittweise Einführung vorstellbar. Zunächst könnte man einen digitalen Euro mit einem bestimmten Funktionsumfang an den Start bringen und später weitere attraktive Funktionen hinzufügen. Denkbar wären zum Beispiel „Machine-to-Machine“-Zahlungen oder „Pay-per-Use“-Modelle, bei denen die Abrechnung nach der Dauer der Nutzung erfolgt. Auf dieser Basis werden immer mehr Geschäftsmodelle der „Sharing Economy“ möglich.

Wichtig ist dabei, dass aber auch die späteren Erweiterungen schon am Anfang bei der Konzeption eines digitalen Euro berücksichtigt werden.

Wie es mit dem digitalen Euro weitergeht

Das Projekt zum digitalen Euro könnte den Zahlungsverkehr tiefgreifend verändern. Es birgt viele Chancen und Vorteile, aber auch Risiken, etwa für die Finanzstabilität. Genau aus diesem Grund müssen zunächst die vielen offenen Fragen geklärt werden. Dazu soll der Austausch mit allen relevanten Beteiligten weiter intensiviert werden. Dazu gehören Kreditwirtschaft, Handel, Industrie und vor allem auch Verbraucherinnen und Verbraucher.

Erst nach Abschluss der Untersuchungsphase entscheidet der EZB-Rat in enger Abstimmung mit den Gesetzgebungsorganen der Europäischen Union, ob ein digitaler Euro auch tatsächlich eingeführt werden soll. Anschließend könnte eine dreijährige Phase der Realisierung und Markteinführung folgen.

Ein digitaler Euro hat das Potenzial, eine nutzerfreundliche, digitale, europaweit einsetzbare Zahlungslösung bereitzustellen und als Ergänzung zum Bargeld den Zugang zu staatlichem Geld im digitalen Zeitalter sicherzustellen. Dabei muss er ein attraktives Zahlungsmittel für alle sein – Privatpersonen, Händler und Intermediäre gleichermaßen. Denn nur so kann er zu einem Erfolg werden.

Über den Autor

Burkhard Balz

Burkhard Balz ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, zuständig für die Bereiche Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme sowie Ökonomische Bildung, Hochschule und Internationaler Zentralbankdialog. Der gelernte Bankkaufmann und Jurist war lange Zeit im Firmenkundengeschäft der Commerzbank tätig und von 2009 bis 2018 Mitglied des Europäischen Parlaments.

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