Zahlungsverkehr in Realtime, das wird nach SEPA eine der nächsten großen Herausforderung für die Banken im Zuge der europäischen Harmonisierung. Ein Experteninterview offenbart die kritischen Punkte an diesem auf dem ersten Blick wertstiftenden Konzeptes.
Nach der Umstellung auf SEPA steht den Banken mit der Realisierung von „Instant Payments“, einem europäischen Echtzeitzahlungssystem, der nächste Kraftakt ins Haus. Unter Federführung der Europäischen Zentralbank (EZB) und des European Retail Payments Board (ERPB) sollen Instant Payments Geldtransfers in Sekundenschnelle ermöglichen. Die Grundidee dahinter ist, Verkäufern wie etwa Online-Händlern sofort Zugriff auf das transferierte Geld zu gewähren.
Interview mit Payment Experten Ralf Ohlhausen
Zu diesem interessanten Thema sprach ich mit Ralf Ohlhausen über die Bedeutung der Echtzeitbezahlung sowie Chancen und Barrieren bei der Einführung für Instant Payments. Er ist Chief Strategy Officer bei der PPRO Group in London und ein ausgewiesener Payment-Experte mit über 25 Jahre Berufserfahrung in den Bereichen E-Commerce, Financial Services, mobile Telekommunikation und IT. Bei PPRO verantwortet er die weltweite Expansionsstrategie des Payment-Lösungsanbieters, ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem weiteren Ausbau des Portfolios an alternativen Bezahlarten.
Der Bank Blog: Herr Ohlhausen, mit Instant Payments sollen Verkäufer ihr Geld sofort auf dem Konto haben. Ein echter Mehrwert also für Händler, finden Sie nicht?
Ralf Ohlhausen: Vordergründig ja, bei genauerer Betrachtung aber eher nicht. Instant Payments gehört sicherlich die Zukunft, sie sind ein logischer Schritt in unserer schnelllebigen Welt. Allerdings ist das für Banken gleichbedeutend mit einer weitreichenden Modernisierung der IT, denn die derzeit eingesetzten Systeme können das überhaupt nicht leisten. Daher sind umfassende Investitionen erforderlich, die viel Geld verschlingen werden. Betroffen wären dabei sowohl die Kern-IT-Systeme der Banken als auch die angeschlossenen Gateways und Kontrollsysteme, die die Transaktionsdaten validieren. Zudem müssen auch alle anderen Player am Markt investieren, etwa angeschlossene Payment Service Provider (PSP).
Wie viel ein europäisches Echtzeitzahlungssystem insgesamt kosten würde, weiß momentan niemand.
Wer profitiert von Instant Payments?
Der Bank Blog: Die Kosten sind eine Sache. Aber würde der Handel nicht ganz erheblich von Instant Payments profitieren?
Ralf Ohlhausen: Einigen Händlern käme das sicherlich gelegen. Aber beim Online-Einkauf zählt vor allem, dass die Bezahlung des Kunden beim Händler sofort bestätigt und garantiert wird. Dass das Geld tatsächlich gleich auf dem Konto eingeht, ist nur zweitrangig. Eine Garantie hätte für den Händler den gleichen Effekt wie eine Echtzeitbezahlung. Allerdings verursachen Echtzeitgarantien im Gegensatz zu Instant Payments keine solch immensen Zusatzkosten. Das wird umso klarer, wenn man bedenkt, dass Händler heute oftmals noch mit Zahlungszielen zwischen 30 und 90 Tagen arbeiten. Da sind Bezahldienste mit Echtzeitgarantien, wie etwa das deutsche giropay oder das niederländische iDEAL, schon ein großer Fortschritt. Denn dabei erhalten Händler eine sofortige Zahlungsgarantie, und die Kontogutschrift erfolgt einen oder nur wenige Tage später. Zudem wäre für viele Händler der Echtzeiteingang von Zahlungen auf dem Konto sogar kontraproduktiv, denn eine tägliche Kontenprüfung und -konsolidierung ist aufwändig. Vielen reicht eine wöchentliche oder gar monatliche Abrechnung völlig aus.
Der Bank Blog: Und wie sieht es bei den Konsumenten aus?
Ralf Ohlhausen: Stehen Privatpersonen auf der Empfängerseite, besteht sicherlich der Wunsch, gleich auf das Geld zugreifen zu können. Doch Instant Payments benötigt man dafür nicht. Wir bieten als E-Geld-Anbieter beispielsweise bereits Echtzeitbezahlungen an. Etwa, wenn eine VIABUY Prepaid-Kreditkarte über InstantTransfer geladen wird. Dann steht das Geld sofort bereit und kann direkt ausgegeben oder abgehoben werden. Das Risiko, dass die Überweisung am nächsten Tag vielleicht doch nicht ankommt und die Kosten der vorzeitigen Bereitstellung des Guthabens tragen wir als E-Geld-Anbieter.
Garantien sinnvoller als Realtime
Der Bank Blog: Lässt sich dieses Prinzip auch auf Banken übertragen?
Ralf Ohlhausen: Sicherlich. Prinzipiell könnten Banken dies untereinander ebenso handhaben und Zahlungsgarantien für ihre Kunden abgeben. Ob nun jede Bank für ihre eigenen Kunden das Risiko trägt oder sich die beteiligten Banken das Risiko teilen – beides ist denkbar. Allein mit garantierten Zahlungen ließe sich schon sehr viel erreichen. Gleichzeitig könnten die hohen Infrastruktur-Investitionen für Instant Payments zumindest vorerst einmal eingespart werden.
Der Bank Blog: Wie könnte eine ganzheitliche Gesamtlösung für Instant Payments Ihrer Meinung nach konkret aussehen?
Ralf Ohlhausen: Das EPC (European Payment Council) hat dazu kürzlich einen Bericht veröffentlicht. Wenn man Bezahlmethoden als Schichtenmodell betrachtet, ergeben sich verschiedene Möglichkeiten, wie sich Instant Payments umsetzen lässt. Der mit Abstand teuerste Weg ist die Implementierung auf der Settlement-Ebene. Denn dazu sind komplett neue und umfangreiche IT-Systeme notwendig. Zudem würde dieser Ansatz sicherlich auch am längsten dauern. Ein oft vergessener Punkt ist auch, dass die Echtzeitsysteme nicht nur schnell, sondern auch rund um die Uhr arbeiten müssen. Außerdem sollten sie unabhängig vom Zahlungsinstrument funktionieren. Egal ob eine Überweisung oder Lastschrift getätigt oder via Karte bezahlt wird – alles soll in Echtzeit ablaufen.
Der Bank Blog: Denkt man das Schichtenmodell weiter, sind auch Methoden wie SEPA Lastschrift oder giropay Ansatzpunkte, um Echtzeitzahlungen zu implementieren. Wie beurteilen Sie diesen Weg?
Ralf Ohlhausen: Vorteil der Umsetzung auf höheren Schichten ist sicherlich, dass Lösungen deutlich schneller am Markt wären. Zudem ist dieser Weg kostengünstiger. Das Problem bei diesem Ansatz ist, dass der Dienstanbieter das Risiko für den Zahlungsausfall tragen muss.
Ansatz für eine pragmatische Lösung
Der Bank Blog: Und welchen Lösungsweg schlagen Sie vor, um aus diesem Dilemma herauszukommen?
Ralf Ohlhausen: Echtzeitzahlungen sind die Zukunft, daran führt kein Weg vorbei. Fakt ist aber, dass in vielen Fällen Zahlungsgarantien ausreichen, etwa für Händler. Dafür gibt es bereits heute eine Reihe von Diensten, die genau dies ermöglichen. Auch Banken können ihren Kunden einige Vorteile der Echtzeitbezahlungen über Echtzeitgarantien bieten, wenn sie sich auf ein passendes Risikomanagement einlassen. Denkbar wäre es beispielsweise, bis zur Implementierung von Echtzeitzahlungen in den IT-Systemen zweigleisig zu fahren. So könnten sich Banken im Hintergrund für die Zukunft rüsten und gleichzeitig am Markt mit praxistauglichen Lösungen gegen die aufstrebende Konkurrenz von Apple, Google & Co. bestehen. Denn egal, ob Instant Payments als großes, SEPA-weites Projekt oder als Zusammenschluss nationaler Echtzeitzahlungssysteme realisiert wird: es wird noch einige Zeit dauern und teuer werden.
Der Bank Blog: Herzlichen Dank für das Gespräch
2 Kommentare
Auch bei genauerer Betrachtung und vor allem, wenn ein Händler die Alternative der direkten Gutschrift auf seinem Konto hätte, wäre ein real-time-Verfahren für Händler mit mäßiger Liquidität natürlich sinnvoll. Das ist mit jeder Innovation so, aber natürlich müssen die Händler Ihre adminstrativen Abwicklungssysteme dann auch real-time-fähig ausgestalten.
Ich kenne keinen Händler, dem eine theoretische Garantie lieber ist als das reale Geld! In der Beliebtheit irgendwo dazwischen liegen die virtuellen Bezahlsysteme, die Herr Ohlhausen vertritt. Daher ist seine Argumentation verständlich, aber nicht korrekt!
Danke für die Hinweise